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3.2.3. soc.culture.egyptian:
Egypt, and its society, culture, heritage, etc

 

Die Stichprobe der Nachrichtengruppe soc.culture.egyptian enthält 1254 Mitteilungen. Im Gegensatz zu den anderen Foren wendet sich nur ein relativ kleiner Teil von 278 Artikeln ausschließlich an soc.culture.egyptian. Alle anderen Mitteilungen erscheinen auch in einer oder mehreren anderen Nachrichtengruppen. Trotz der massiv auftretenden Cross-postings handelt es sich nur in einem Fall um Spam, und der durch die Beschreibungszeile gesetzte Rahmen wird eingehalten. Die Autoren schreiben, abgesehen von vier Artikeln auf französisch, englisch und greifen nur zur Begrüßung oder zum Abschied zu arabischen oder altägyptischen Redewendungen, die sie in Lautschrift wiedergeben. Die Beschränkung auf englisch ist insofern bemerkenswert, als in anderen Nachrichtengruppen der soc.culture-Hierarchie die Landessprache des jeweils behandelten Landes zumindest ab und an zur Anwendung kommt.(96) Hier könnte das Problem der Schrift und ihrer Codierung auf den Computern eine Rolle spielen. Schrieben die Verfasser ihre Artikel auf arabisch mit der dazu notwendigen Codierung, wären die Artikel nur auf entsprechend ausgestatteten Rechnern lesbar. Ein Blick auf die E-Mail-Adressen der Autoren verrät außerdem, daß bis auf einen vermutlich keiner aus einem arabischen Land schreibt, ihnen somit auch die entsprechende Ausstattung fehlt. Einige Autoren melden sich aus Israel und einer aus dem Iran zu Wort. Es muß allerdings betont werden, daß dies nur eine Vermutung sein kann.(97)

Ähnlich wie schon in alt.vampyres wird der formalen Netiquette kaum Beachtung geschenkt. Zwar wären Beschwerden über allzu umfangreiche Signaturen kaum am Platz, weil sie im Vergleich zu den anderen Nachrichtengruppen der Stichprobe wenig Verwendung finden, aber der Umgang mit ungekürzten Zitaten und die geringe Rücksicht auf das Layout des Artikels gehören hier ebenfalls zur Regel und nicht zur Ausnahme. Die Rechtschreibfehler werden in diesem Forum häufig von grammatikalischen Unstimmigkeiten begleitet, die darauf hinweisen dürften, daß Englisch in vielen Fällen nicht die Muttersprache der Autoren ist.

Gesellte sich in alt.vampyres zur Mißachtung der Netiquette noch die Unkenntnis der Regeln des Usenet, so tritt hier die Unwissenheit um bestimmte Gepflogenheiten hervor: Oft verwendete Floskeln werden in der Regel abgekürzt.  Beispiele hierfür sind ,,IMHO`` für ,,in my humble [honest] opinion``, ,,TIA`` für ,,thanks in advance`` oder ,,BTW`` für ,,by the way.`` In Artikel sce/853 verwendet jemand das - durchaus übliche - Kürzel ,,ROTFL`` und wird gefragt, was es heißen soll (sce/866). Anstatt die Abkürzung korrekt als ,,rolling on the floor laughing`` aufzulösen, antwortet der Befragte mit einer Umschreibung: ,,Oh, well... ROTFL is an internetism meaning ,laughing very hard``` (sce/951). Für sich genommen wäre diese Korrespondenz wenig bedeutsam, aber da sie durch die Umschreibung Anlaß zur Richtigstellung bietet, die nicht wahrgenommen wird, kann sie im Zusammenhang mit der Mißachtung der Netiquette als ein Hinweis auf mangelnde Vertrautheit mit den Gepflogenheiten des Usenet gelesen werden.

Die Beiträge stammen in der Regel von den Autoren selbst. Ausnahmen stellen fünfzehn Artikel dar, die periodischen Charakter tragen. Unter dem Namen ,,Friday Journal`` werden Artikel aus englischsprachigen Zeitungen zu Entwicklungen in arabischen Ländern und Interviews mit arabischen Prominenten wiedergegeben (z.B. sce/103). In zeitlich unregelmäßigen Abständen erscheinen Mitteilungen unter dem Klarnamen ,,Arabjournl`` (z.B. sce/310). Einmal im Monat erscheint ein Newsletter ,,Migrants against Aids`` in mehreren Teilen (sce/777 - 780). Gemeinsam ist diesen periodischen Veröffentlichungen, daß sie in der Regel unerwidert bleiben.

Fragen nach Informationsquellen, z.B. zu Hinweisen für eine Reise in den Nahen Osten oder zu Internetzugängen in Ägypten, und die Ankündigungen solcher Quellen lösen in der Stichprobe keine Diskussionen aus. Ebensowenig geben die Veröffentlichungen zehn arabischer Geschichten Anlaß zu einer Reaktion.

Der große Rest der Mitteilungen reagiert auf bereits laufende Diskussionen bzw. setzt sie in Gang. Die jeweiligen Schwerpunkte der Diskussionen fallen überaus unterschiedlich aus: Sie reichen von religiösen und ägyptologischen Themen über Fragen zur politischen Situation im Nahen Osten bis zur Erörterung esoterischer Theorien im Zusammenhang mit altägyptischen Bauwerken. Allein 416 Artikel befassen sich mit dem Thema ,,Frauen im Islam``. 127 Artikel diskutieren die Frage der Ethnizität der alten Ägypter, und nur 65 Mitteilungen beziehen sich auf die aktuelle Situation in Ägypten.

Am 8. Mai veröffentlicht Syed Hussain gleichzeitig in den Nachrichtengruppen:

soc.culture.african.american, soc.culture.african, rec.music.hip-hop, alt.rap, soc.culture.jewish, soc.culture.israel, soc.culture.arabic, soc.culture.islam, alt.religion.islam, alt.religion.christian, talk.politics.mideast, soc.culture.iranian, soc.culture.maghreb, soc.culture.jordan, soc.culture.palestine, soc.culture.indian, soc.culture.pakistan, soc.culture.afghanistan, soc.culture.egyptian, soc.culture.turkish, soc.culture.kuwait
unter der Überschrift ,,Are Women Treated in ISLAM worse than any other religion (a debate Please respond)`` einen Artikel, in dem er schildert, daß eine Lehrerin seiner Tochter behauptet habe, der Islam behandle die Frauen von allen Religionen am schlechtesten. Er fordert auf, zu dieser Behauptung Stellung zu nehmen, um die Antworten dann zusammenstellen und der Lehrerin übergeben zu können. Er äußert die Hoffnung, daß ,,we at SCP can provide the truth`` (sce/264). SCP dürfte hier als Abkürzung für die Nachrichtengruppe soc.culture.pakistan stehen, weil es das einzige Forum im Verteiler ist, das sich auf diese Weise abkürzen läßt. Syed Hussains Nachricht gelangt über einen US-amerikanischen Provider namens Netcom ins Netz, so daß sich vermuten läßt, daß er in den USA wohnt. Sein expliziter Bezug auf die Nachrichtengruppe soc.culture.pakistan erscheint insofern merkwürdig, als er die Mitteilung auch in zwanzig anderen Foren veröffentlicht. Die Absicht dabei scheint einerseits zu sein, möglichst viele Nachrichtengruppen, deren Leser Moslems sein könnten, in die Diskussion einzubeziehen. Andererseits steht zu vermuten, daß über die Veröffentlichung in den Nachrichtengruppen soc.culture.jewish und alt.religion.christian auch mögliche Kritiker des Islam angesprochen werden sollen.

Der Artikel löst eine Diskussion aus, die sich über den ganzen Monat hinzieht. Berührt von dieser Diskussion wird ein ganzes Spektrum von Punkten:

  • Gleichwertigkeit von Männern und Frauen (sce/295),
  • Alphabetisierungsraten von Männern und Frauen (sce/299),
  • Unterschied von Religionsausübung und staatlichen Gesetzen (sce/318),
  • Witwenverbrennung im Hinduismus (sce/574),
  • Gleichberechtigung (sce/594),
  • Unterschied zwischen der Festlegung des Islam im Koran und der Praxis der Gläubigen (sce/1196),
  • familiäre Rollenaufteilung (sce/342),
  • Beschneidung von Frauen (sce/641),
  • Sexistische Tendenzen im Christentum (sce/859),
  • Berechtigung zur Auslegung des Korans (sce/819),
  • genetische Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen (sce/787),
  • sexueller Mißbrauch (sce/760),
  • Verständnis des Westens für den Islam (sce/864),
  • Sexismus in westlichen und arabischen Gesellschaften (sce/821).

Hier kann nur ein zusammenfassender Überblick über die Inhalte der Diskussionsbeiträge gegeben werden. Die näheren Einzelheiten und Unterschiede in der Argumentation hervorzuheben, würde zu weit führen und zu viel Raum beanspruchen. Daher soll die Diskussion nur in groben Zügen charakterisiert werden.

Neben dem Spektrum von Meinungen fällt die Veränderung der Überschriften für die Diskussion auf. Ausgehend von dem anfänglichen Titel wird dieser abgewandelt zu ,,Women are Treated in Islam FAR better than any other religion`` und schließlich ,,Women are treated WORST in the WEST``. Schon dieser Wandel in den Überschriften legt die Vermutung nahe, daß die Ausgangsfrage wenig sachlich behandelt wird. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie sind zuerst darin zu suchen, daß keine Einigkeit darüber herrscht, was mit Islam gemeint ist. So wird mit der unterschiedlichen Alphabetisierungsrate von Männern und Frauen in islamisch geprägten Gesellschaften argumentiert (sce/408). Eine Antwort verweist auf den Unterschied von Religion und deren Ausübung (sce/493). Eine zweite Quelle der Unsachlichkeit bilden die vielfältigen Ressentiments, die in dieser Frage zu Tage treten. So wird eine Erwiderung auf sce/408, die andere Ursachen für unterschiedliche Alphabetisierungsraten, wie Armut und Krieg, verantwortlich macht, abgelenkt auf den israelisch-arabischen Konflikt (sce/426). Die damit verbundene Bereitschaft, das Thema zu zerfasern, zeigt sich auch darin, daß anderen Religionen (Hinduismus: sce/574, Christentum: sce/859) der Vorwurf gemacht wird, Frauen schlechter zu stellen als Männer. Ein viertes Phänomen bildet der Umgangston: In einer weiteren Antwort auf den Versuch in sce/408, mit Zahlen zu argumentieren, wird der Autor als Heuchler (,,hypocrate``, sce/424) beschimpft. Genauso schnell sind Unterstellungen zur Hand, daß der andere über Dinge schreibe, von denen er nichts verstehe (sce/336). Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, sich aneinander zu reiben, ufert die Diskussion nicht in eine jener Beschimpfungsorgien (,,flame war``) aus, für die das Usenet auch bekannt ist. Das ist um so erstaunlicher, als die ganze Spannbreite möglicher Haltungen zu religiösen Fragen vertreten ist. Sie reicht von der Frage, wen das überhaupt interessiere (sce/392), bis zu jenen, die hinter der Erwähnung des Propheten Mohammed immer ,,pbuh``, für ,,peace be upon him``, anschließen (z.B. sce/493).

Die Veröffentlichung der Diskussionsbeiträge in jenen Nachrichtengruppen, in denen der auslösende Artikel erschien, führt jedoch auch zu ganz anderen Reaktionen. Die Einbeziehung der Foren rec.music.hip-hop und alt.rap hat die mehrfache Aufforderung aus diesen Nachrichtengruppen zur Folge, Reaktionen dort nicht zu veröffentlichen (z.B. sce/275). Die Mahnung hat zumindest teilweise Erfolg, wie ein Vergleich des ursprünglichen Verteilers mit denen in späteren Mitteilungen zeigt. Der Erfolg dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die Autoren ihren Protest in den gleichen Kanälen belassen, die auch der ursprüngliche Artikel genommen hatte. Dagegen verhallt der Einspruch, der nur in der Nachrichtengruppe soc.culture.egyptian geäußert wird (z.B. sce/331, sce/746, sce/1117), scheinbar ungehört. Zwar findet er innerhalb dieser Nachrichtengruppe Bestätigung, wird aber in anderen Foren, auf Grund der eingeschränkten Verbreitung, nicht wahrgenommen.

Das auf die Nachrichtengruppe soc.culture.egyptian begrenzte Aufbegehren gegen die Veröffentlichung der Diskussionbeiträge in dieser Nachrichtengruppe gewinnt dadurch an Bedeutung, daß die Protestierenden sich zu anderen Themen öfter äußern. Die Mahnung ,,Let's keep this group secular`` (sce/433) scheint dabei durchaus programmatischen Charakter zu haben: Der Austausch über Diskotheken in Toronto (sce/67), Lieblingsbücher (sce/240) und -filme (sce/1143), Kochrezepte (sce/1153), ägyptischen Fußball (sce/472) und die Vorzüge der Hitze gegenüber der Kälte (sce/784) bewegt sich durchweg in einem wenig provokativen Rahmen. Das bedeutet jedoch nicht, daß Diskussionen vermieden werden würden. Die aktuelle Politik Ägyptens bietet dazu ebenso Anlaß (sce/234) wie die schon aufgeführte Frage nach dem ethnischen Hintergrund der alten Ägypter. Funktionierte in der Nachrichtengruppe alt.vampyres, die Spam zwar als störend wahrnahm, welcher aber die Gespräche nicht unterbrechen oder gar unterbinden konnte, eine gewisse Abgrenzung nach außen, so scheint hier eine Art Definitionsmonopol, welche Themen in diesem Forum besprochen werden sollten, angestrebt zu werden.   Die Schwierigkeit, einen Kanon zulässiger Themen oder einen Negativkatalog nicht-genehmer Gesprächsstoffe festzulegen und durchzusetzen, dürfte im Oberthema der Nachrichtengruppe selbst zu suchen sein. Während das Gespräch über Vampire quasi punktuell gesehen werden kann, läßt das Thema Ägypten einen ganzen Strauß gesellschaftlicher Fragen zu. Die Themenbasis ist von vornherein viel breiter angelegt und zieht somit auch mehr Interessenten an.

Ein Beispiel für die Vielfalt der Interessen in dieser Nachrichtengruppe bieten jene Mitteilungen, die sich mit esoterischen Themen befassen. Im September sollte unter der Anwesenheit von TV-Kameras eine Tür in der Cheops-Pyramide (98) geöffnet werden, hinter der ein Gang erwartet wurde, der zwischen den Pfoten Sphinx enden sollte (sce/303). Dieses Vorhaben bietet Anlaß für diverse Spekulationen. Während die ersten Reaktionen das Vorhaben als solches und die Qualifikation eines Fernsehmoderators dafür in Zweifel ziehen (sce/415), wird schon in der Antwort der Bogen weiter gespannt und bezieht mit einem Mal auch die Frage nach der Realität von Atlantis ein (sce/432). Hieraus ergibt sich eine Diskussion über das Für und Wider von Legenden bei der archäologischen Arbeit, schließlich habe Schliemann, allein durch den Glauben an die Ilias, Troja gefunden. Die Korrekturen dieser Behauptung, Schliemannn habe nicht Troja entdeckt, sondern nur Reste einer Stadt gefunden, die aus der Zeit Trojas stammen könnten (sce/447, sce/456), werden nicht weiter verfolgt. Stattdessen werden literarische Belege für die Existenz von Atlantis vorgelegt (sce/559).

Ein weiterer Gesprächsfaden rankt sich um eine geometrische Betrachtung des Zueinanders der Pyramiden von Gizeh. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß der Autor Stephen Goodfellow bereits am 1. Mai einen Hinweis auf seine Web-Seite, auf der diese Betrachtung zu finden ist, nur in soc.culture.egyptian veröffentlicht hatte (sce/44). In der Nachrichtengruppe erfolgte auf diese Mitteilung keine Reaktion. Am 15. Mai benutzt er den Verteiler, über den auch die Diskussion um die Öffnung der Tür in der Pyramide lief:

alt.paranormal, alt.paranet.paranormal, alt.journalism, uk.media, sci.archaelogy, alt.archaeology, soc.culture.usa, alt.folklore.urban, soc.culture.egyptian
Dieses Mal versieht er den Hinweis auf die Web-Seite mit einer Kurzfassung dessen, was den Leser dort erwartet, und löst damit eine Diskussion des von ihm und einem Kollegen beschriebenen Phänomens aus (sce/526). Das Phänomen besteht darin, daß die nordwestlichen Eckpunkte der Pyramiden durch einen Kreis verbunden werden können. Wird durch die südöstlichen Eckpunkte ebenfalls ein Kreis gezogen, schneiden sich beide Kreise in einem Punkt. Dieses Zusammentreffen soll belegen, daß die Pyramiden als ein einheitlicher Komplex geplant gewesen seien. Die Reaktionen auf diese Veröffentlichung fallen wenig schmeichelhaft aus. Wiederholt erscheint der Hinweis auf elementare Geometrie, die lehrt, daß ein Kreis durch drei beliebige Punkte gezogen werden kann, solange diese nicht auf einer Geraden liegen (u.a. sce/673, sce/542). Ein anderer Artikel verweist darauf, daß die Grundlage der Verwendung von ,,pi``, wie sie in den Pyramiden vorkomme, indem das Verhältnis von Basis zu Höhe der Pyramiden betrage, automatisch die Erscheinung verschiedener geometrischer Phänomene nach sich ziehe (sce/667). Eine weitere Antwort disqualifiziert die Mitteilung als einen Beitrag zur Zahlenmystik (sce/669), und zuletzt stellt eine Beitrag die ganze Diskussion als altbacken dar: Ähnliches sei bereits vor Jahresfrist in sci.archaelogy unter dem Titel ,,Pyramidiocy`` abgehandelt worden (sce/706).

Neben der Demonstration des Gemenges der Interessen, die in der Nachrichtengruppe soc.culture.egyptian zum Tragen kommen, weisen diese Diskussionen auch darauf hin, wie sich Diskussionen allein über die Wahl des Verteilers provozieren lassen. Viele Beiträge in diesem Forum werden auch in sci.archaeology veröffentlicht. Die gerade vorgestellten Diskussionen liefen zusätzlich auch in alt.paranormal und alt.folklore.urban. Die Debatten scheinen durch unterschiedliche Prämissen zusätzlich Nahrung zu erhalten: Während in sci.archaeology ein eher wissenschaftlich geschulter Einsatz des Verstandes vorherrscht, regiert in alt.paranormal eher der Zweifel an eben diesem.

Zwei weitere Diskussionen befassen sich mit eher ägyptologischen Themen. In der einen, unter dem Titel ,,Ethnicity of Ancient Egyptians``, wird die Herkunft der alten Ägypter erörtert. Unter dem Pseudonym ,,Kush``(99) besteht jemand auf der Ansicht, daß die alten Ägypter schwarzafrikanischer Abstammung gewesen seien (sce/188). Zur Stützung dieser These wird auf anthropometrische Rassentheorien zurückgegriffen (sce/190) und auf die griechischen Geschichtsschreiber Herodot und Diodorus verwiesen, welche die Ägypter als ,,schwarz`` bezeichnet hätten (sce/149). Dieser Argumentation wird entgegenhalten, sie sei rassistisch, beruhe auf einem Mißverständnis der historischen Quellen (sce/313) und verzerre die Historie unter dem Blickwinkel des Afrozentrismus (sce/219). Der Bezug auf die Farbe in der Darstellung von Menschen und Göttern (100)(sce/15) wird als rein symbolisch zurückgewiesen (sce/23). Dem impliziten Vorwurf, die traditionelle Ägyptologie sei eurozentristisch (sce/230), wird entgegenhalten, daß eine afrozentristische Ägyptologie keine Lösung darstelle. Es könne kaum die Frage sein, ob die alten Ägypter nun schwarzer oder kaukasischer Herkunft gewesen seien, sondern nur, warum sie sich gegenüber Asiaten und Nubiern abgegrenzt hätten. Zudem mahnt die Verfasserin einen sorgfältigeren Umgang mit den Quellen an und fordert Belege für die afrozentristische These in der Literatur (sce/219).

In einer parallel laufenden Diskussion wird die Frage erörtert, ob der Dualismus von Gut und Böse, wie er im christlichen Glauben zu finden ist, auch in der ägyptischen Religion eine Rolle spielte: Ob etwa Seth mit dem Satan gleichgesetzt werden könne.(101) Die Beiträge weisen darauf hin, daß in der ägyptischen Religion eher ein komplementäres Denken vorherrsche als ein antithetisches (sce/130, sce/146). Andere merken an, daß die christlichen Quellen ebenfalls nicht frei von Widersprüchen seien (sce/164). Auch hier löst eine Mitteilung von ,,Kush`` (sce/216) erneut eine Diskussion um die Zulässigkeit einer rassistischen Interpretationsweise aus (sce/218, sce/324).

Ein Beitrag zum Diskussionsstrang um die Ethnizität macht das Dilemma der Nachrichtengruppe, die Spannbreite der Interessen und Themen, deutlich. Reagierend auf eine Mitteilung, in der die Zunahme an Rassenfragen konstatiert wird (sce/15), wird darauf hingewiesen, daß die Nachrichtengruppen nicht mehr der Ort für Diskussionen seien, da diese nur noch den kleinsten gemeinsamen Nenner widerspiegelten: ,,racism and classism`` (sce/201). Man weiche daher auf private Mailing-Listen aus, welche eher den Austausch von Gedanken erlaubten.

In einer weiteren Diskussion wird die Frage aufgeworfen, ob eine Trennung der Themen ,,Ägyptologie`` und ,,Gesellschaft Ägyptens`` über die Schaffung einer neuen Nachrichtengruppe, die sich speziell ägyptologischen Themen widmen soll, nicht sinnvoll sei (sce/481). Dem Vorschlag wird in zwei Artikeln widersprochen. Beide vertreten den Standpunkt, daß die ägyptische Geschichte sich nicht aufteilen lasse und das antike Erbe zur heutigen Kultur gehöre (sce/1094, sce/1126). In einer anderen Mitteilung wird die Meinung geäußert, es sei besser, eine Nachrichtengruppe zum Afrozentrismus zu schaffen (sce/539). Andere Mitteilungen belegen, daß ägyptologische Themen in den Nachrichtengruppen für Archäologie (alt.archaeology, sci.archaeology) ihren Platz hätten (sce/1047). Die weiteren Artikel nehmen zum großen Teil positiv Stellung zu dem Vorschlag einer Nachrichtengruppe für Ägyptologie (z.B. sce/500, sce/536, sce/724).

Sowohl die Behauptung, über Mailing-Listen ließe sich besser kommunizieren als über Nachrichtengruppen, als auch der Vorschlag einer neuen Nachrichtengruppe reagieren auf die unterschiedlichen Interessen, die das Bild von soc.culture.egyptian prägen. Zwar wird der Vorschlag einer Nachrichtengruppe zum Thema Ägyptologie in eine eher defensive Formulierung gekleidet, den am modernen Ägypten interessierten Lesern sollten die ständigen Diskussionen über ägyptologische Themen erspart werden, aber eine solche Nachrichtengruppe schützte z.B. auch vor einer Auseinandersetzung um die Stellung der Frau im Islam. Die Anpreisung von Mailing-Listen und der Versuch einer schärferen Abgrenzung durch die Einrichtung einer weiteren Nachrichtengruppe können daher als eine Tendenz zur Kanalisierung von Themen interpretiert werden.

Eingangs wurde bereits festgestellt, daß sich nur ein kleiner Teil von 278 Artikeln ausschließlich an soc.culture.egyptian wendet. Bei genauerer Betrachtung dieses Teils der Stichprobe stellt sich heraus, daß etwa die Hälfte dieser Artikel von einer kleinen Gruppe beigesteuert werden.(102) Es sind vor allem diese Autoren, die den oben angesprochenen Smalltalk zu Themen wie ,,Diskotheken in Toronto`` und ,,Vorzüge der Hitze gegenüber der Kälte`` betreiben. Sie sind es auch, die schließlich gegen die Veröffentlichung der Beiträge zum Thema ,,Frauen im Islam`` Stellung beziehen. Daraufhin habe ich oben (s. dort) bereits angedeutet, daß in der Nachrichtengruppe eine Festlegung der Themen wünschenswert erscheint, diese sich jedoch nicht durchsetzen läßt. Abgesehen von der kaum belegbaren Homogenität der Gruppe, die sich nur auf die Vermutung, daß ihre Mitglieder vorwiegend aus im Ausland lebenden Ägyptern besteht, stützen könnte, wird in den Artikeln deutlich, daß sie sich zumindest untereinander durch vorangegangene Beiträge kennen. Sie demonstrieren Verbundenheit, indem sie sich gegenseitig ansprechen (sce/455) oder sich vorstellen (sce/184). Die Wahrnehmung der Nachrichtengruppe als eigenes Terrain, welches gewissermaßen okkupiert wird, äußert sich in einer Klage über die Diskussion ,,Frauen im Islam``, die unter der Überschrift ,,TOTAL INVASION!!¡` veröffentlicht wird (sce/1074). Die Zustimmung und die Aufforderung, den Verrückten nicht das Terrain zu überlassen (sce/1077), bestätigen diese Einschätzung. Die in diesem Artikel gewählte Formulierung ,,the fort that is SCE`` sowie ein Artikel unter der Überschrift ,,Rise Up Ya Misriyeen!!!!!``(103), in der die Anderen als Invasoren bezeichnet werden (sce/1099), ziehen denn auch eine klare Grenze zwischen denen, die als Stammleser angesehen werden, und jenen, die in der Nachrichtengruppe nur über Cross-Postings wahrgenommen werden.

Zuletzt soll noch ein Phänomen angesprochen werden, daß in der Stichprobe einzigartig dasteht. Ein Autor unter dem Klarnamen Murat Kutan reagiert auf Äußerungen zu Auseinandersetzungen zwischen Türken und Griechen (sce/8), zwischen Armeniern und Türken (sce/7), aber auch auf die Mitteilungen bestimmter Autoren (sce/546) in immer gleicher Weise. Das Thema der Diskussion, an die er anknüpft, muß dabei nicht mit seiner Abschweifung in Zusammenhang stehen. Dies wird deutlich, wenn er einen Verfasser, der sich unter dem Klarnamen Basil Keilani zu bosnischen Moslems äußert, angreift und sofort auf sein beständiges Thema des Völkermordes an den moslemischen und jüdischen Minderheiten durch die armenischen Christen zu sprechen kommt. Die Artikel von Murat Kutan folgen einem gewissen Muster: Dem angegriffenen Autor wird eine anti-moslemische Gesinnung unterstellt und anschließend werden mehr oder weniger lange Auszüge aus Geschichtsbüchern über den Völkermord in Armenien wiedergegeben. Dieses Verhalten treibt Murat Kutan so weit, daß sich der angesprochene Basil Keilani schließlich von einem Programm (,,robot``) verfolgt fühlt (sce/1228).

Der durch die Beschreibungszeile ,,Egypt, and its society, culture, heritage, etc`` gezogene Rahmen wird in dieser Nachrichtengruppe zwar größtenteils eingehalten, erweist sich jedoch als überaus dehnbar. Die mögliche Spannbreite von aktuellen gesellschaftlichen zu historischen Themen sorgt für ein relativ hohes Artikelaufkommen. Daher erscheint es einigen Teilnehmern wünschenswert, bestimmte Aspekte der Nachrichtengruppe - vorwiegend die Diskussion ägyptologischer Themen - in ein eigenständiges Forum zu verlagern. Die Reaktionen auf die Diskussion um Frauen im Islam zeigen, daß ein Muster von Ein- und Ausgrenzung existiert: Eine kleine Gruppe regelmäßig Schreibender ist sich einig, bestimmte Themen auszusparen, und die Anderen erscheinen der Gruppe als Invasoren. Der Mechanismus des Verteilers sorgt jedoch dafür, daß ihr Aufbegehren gegen die ,,Okkupation`` des Forums nur in seinen Grenzen und nicht darüber hinaus wahrgenommen wird.

Der Einsatz des Verteilers scheint in dieser Nachrichtengruppe Diskussionen z.T. erst in Gang zu bringen bzw. am Leben zu erhalten. Im Fall der Diskussion um Frauen im Islam wurde innerhalb von soc.culture.egyptian Desinteresse bekundet. Im zweiten Fall erfolgte auf die erste Bekanntgabe der geometrischen Betrachtung der Pyramiden innerhalb des Forums keine Reaktion. Erst die Benutzung eines bereits erfolgreich eine Diskussion anstachelnden Verteilers sorgte für Antworten auf die Überlegungen des Autors. Der Verweis, daß eine Diskussion zu einem ähnlich gelagerten Thema in sci.archaeology bereits stattgefunden habe, läßt, auch in Zusammenhang mit dem Verweis auf Mailing-Listen, vermuten, daß es in bezug auf bestimmte Themen eine Art Sättigungsgrad innerhalb von Nachrichtengruppen gibt. Das heißt, Themen müssen nicht deshalb unerwünscht sein, weil sie unpassend wären, sondern weil sie bereits behandelt wurden. Die Dynamik einer Nachrichtengruppe wird durch die Benutzung des Verteilers mit der einer anderen gekoppelt, und so rücken unter Umständen längst ad acta gelegte Probleme wieder ins Rampenlicht.

Deutlicher als in den bisher vorgestellten Nachrichtengruppen zeigt sich in soc.culture.egyptian die Tendenz zur Zerfaserung eines Themas. Zwar scheint dieses Phänomen mit der textbasierten Kommunikation über Computer einherzugehen (104), aber in dieser ausufernden Form, die sich in der Behandlung der ,,Pyramidentür``, wobei auf einmal auch Troja und Atlantis zur Debatte standen, und in der Diskussion um Frauen im Islam zeigte, trat sie in der Stichprobe noch nicht hervor. Beide Diskussionen haben nicht viel gemeinsam. Während in den Beiträgen zur ,,Pyramidentür`` rationale Skepsis auf den Glauben, es möge mehr Dinge auf Erden geben, als die Wissenschaft erklären kann, trifft, berührt das Thema Frauen im Islam religiöse und nationale Empfindlichkeiten. Wenn außer der Benutzung des Verteilers beide Diskussionen keine Gemeinsamkeiten aufweisen, dürften die Gründe dafür am ehesten darin zu suchen sein: Ausgehend davon, daß eine Nachrichtengruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt auch immer einen bestimmten Kontext darstellt, in dem eine Mitteilung erscheint, läßt sich vermuten, daß die unterschiedlichen Kontexte der Foren Einfluß auf die Antworten nehmen. Auf diese Weise kann schließlich ein ganzes Spektrum von Standpunkten zusammenkommen.


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