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3.2. Beschreibung der Stichprobe

 

Für die Arbeit wurden vier Nachrichtengruppen ausgewählt und über den Zeitraum vom 1. Mai - 31. Mai 1996 archiviert.(79) Die Auswahl der Nachrichtengruppen muß als mehr oder weniger willkürlich gelten. Eine reine Zufallsauswahl kam aus mehreren Gründen nicht in Betracht. Die erste Einschränkung ergab sich durch die Forderung einfacher Verfügbarkeit: sowohl der Usenet-Rechner der Universität Hamburg als auch der Usenet-Rechner der Domain Hanse mußten die Nachrichtengruppen führen. Nachrichtengruppen, die nur dem Austausch von Bildern oder Programmen dienen und kaum eine Diskussion bieten, entfielen. Genauso wurden moderierte Nachrichtengruppen nicht berücksichtigt, da ihr Inhalt redigiert wird. Sodann mußte sichergestellt sein, daß ich von der Materie, die in einer Gruppe behandelt wird, zumindest so viel verstehe, daß ich dem Diskussionsverlauf folgen kann. Außerdem sollte der Inhalt nicht so speziell ausfallen, daß er langwieriger Erklärungen bedürfte. Weiterhin hätte eine reine Zufallsauswahl bedeutet, unter Umständen entweder ,,tote`` Nachrichtengruppen, also solche, in denen kaum Mitteilungen auftauchen, oder überaus lebendige Foren einzubeziehen, deren Flut von Nachrichten den zeitlichen Rahmen der Untersuchung gesprengt hätte. Andere Widrigkeiten beeinflußten ebenfalls die Auswahl: So wurde kurz vor dem angesetzten Beobachtungszeitraum die in Erwägung gezogene Nachrichtengruppe de.alt.buecher in de.rec.buecher umbenannt. Diese Formalie nahm Einfluß sowohl auf die Menge als auch auf den Inhalt der Mitteilungen in dieser Gruppe, weshalb ich auf eine Auswertung der Gruppe verzichtet habe.

Positiv gewendet sahen die Kriterien vor, daß die zu betrachtenden Nachrichtengruppen erstens erreichbar, zweitens unmoderiert und aktiv, jedoch nicht überfüllt, drittens inhaltlich zumindest im Ansatz allgemeinverständlich und viertens unbelästigt von technischen und formalen Schwierigkeiten sein sollten. Ein weiteres Kriterium ergab sich daraus, daß die Themenschwerpunkte der Nachrichtengruppen keine Überschneidungen aufweisen sollten.

Der Beobachtungszeitraum ist mit einem Monat im Vergleich zu anderen Untersuchungen, die sich z.B. mit der Auswertung von Zeitungen oder Radiosendungen befassen, relativ lang gewählt. Der zeitliche Rahmen wurde so weit gesteckt, weil Mitteilungen innerhalb des Usenet drei bis sieben Tage benötigen können, um auch in den letzten Winkeln des Netzes anzukommen. Die Chance, eine fortlaufende Diskussion in einer Gruppe verfolgen zu können, erhöht sich also, je weiter der Rahmen gesteckt wird. Allerdings kann die Stichprobe für keine der Nachrichtengruppen den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Zum einen können Mitteilungen, die auf einen Mißbrauch des Netzes hinauslaufen, storniert werden.(80) Zum anderen kann eine Mitteilung so lange unterwegs sein, daß der Usenet-Rechner der Universität oder jener der Domain Hanse die Mitteilung als veraltet beurteilt und ebenfalls löscht.

Unter diesen Voraussetzungen erhielt die Stichprobe das Aussehen, wie es Tabelle 3.1 zeigt.

 
Tabelle 3.1:   ZAHLEN ZUR STICHPROBE

Gruppe                   Anzahl    EUnet    Brutto     Netto  Verfasser  
alt.culture.bullfight 145 174 530253 426694 49
alt.vampyres 3146 2653 6716174 4063357 856
soc.culture.egyptian 1254 668 3779520 2498636 418
sci.anthropology 312 239 833686 608728 200
Gesamt 4857 3734 11859633 7597415 1508

Diese Zahlen geben einen groben Überblick und sollen nur erläutert, aber nicht weiter interpretiert werden. Bei der Rubrik ,,Anzahl`` handelt es sich um die Zahl der Mitteilungen, die im Untersuchungszeitraum verfaßt wurden. Hierfür wurde das Datumsfeld der Artikel ausgewertet. Die Rubriken ,,Brutto`` und ,,Netto`` geben den Umfang aller Mitteilungen gemessen in Bytes wieder. Während unter ,,Brutto`` die Anzahl der Bytes inklusive der Informationen im Kopf der Nachricht aufgeführt werden, beziehen sich die Zahlen unter ,,Netto`` auf den reinen Text. Zur Feststellung der Anzahl der Verfasser wurde das From-Feld im Kopf der Artikel ausgewertet. Streng genommen dürfte hier nur von unterscheidbaren Markierungen im From-Feld die Rede sein, da besonders dieses Feld häufig manipuliert wird. Die Gesamtanzahl der Verfasser entspricht nicht der Summe der Verfasser aus den einzelnen Nachrichtengruppen, da einige in zwei Nachrichtengruppen vertreten sind.

Die Zahlen in der Spalte EUnet geben die Anzahl der Artikel an, die im Mai bei einem der großen deutschen Netzknoten eingegangen sind.(81) Auf Grund der hohen Abweichungen wirken sie allerdings wenig aussagekräftig. Die Abweichungen sind zum einen darauf zurückzuführen, daß die hier zugrundeliegende Stichprobe anders erstellt wurde: Es galt nicht der Zeitpunkt des Eingangs eines Artikels, sondern der Zeitpunkt seiner Abfassung. Zum anderen kann die Abweichung darauf zurückzuführen zu sein, daß ich das ,,Verfallsdatum`` für die Artikel auf 14 Tage gesetzt hatte, damit möglichst viele Eingang in die Stichprobe fanden. Der Verteilungsmechanismus des Usenet muß zudem dafür verantwortlich gemacht werden, daß nicht alle Artikel überall ankommen. Die Zahlen von EUnet bestätigen aber immerhin die Vermutung, daß die Stichprobe nicht alle Artikel umfaßt, die tatsächlich im Untersuchungszeitraum in den Nachrichtengruppen veröffentlicht wurden.

Das Schema der Darstellung der einzelnen Nachrichtengruppen wurde schon vorgestellt. Die Vollständigkeit, welche das Schema anstrebt, konnte nur für die beiden kleineren Nachrichtengruppen alt.culture.bullfight und sci.anthropology ansatzweise durchgehalten werden. In den zwei umfangreicheren Nachrichtengruppen alt.vampyres und soc.culture.egyptian mußte die Zusammenfassung schon aus Platzgründen komprimiert werden. Den Anfang macht alt.culture.bullfight, weil die Übersichtlichkeit dieser Nachrichtengruppe am besten geeignet sein dürfte, einen ersten Eindruck zu vermitteln. Die Überschriften der einzelnen Abschnitte setzen sich zusammen aus dem ,,Namen`` der Nachrichtengruppe und der dazugehörigen Beschreibungszeile (82). Die Beschreibungszeile läßt sich in den Nachrichtenprogrammen darstellen und dient zur ersten Konkretisierung des jeweils behandelten Themas.

Die im Folgenden häufig benutzten Verweise auf einzelne Artikel folgen dem gleichen Muster, wie es für elektronische Texte benutzt wurde: Der Angabe eines Verzeichnisses folgt der Name der Datei, wobei der Name aus einer Zahl besteht (z.B. acb/1). Die Artikel wurden für jede Nachrichtengruppe, beginnend mit eins, aufwärts numeriert. Die Abfolge der Zahlen spiegelt jedoch keine inhaltliche Reihenfolge, sondern nur den Zeitpunkt des Eintreffens einer Mitteilung.

Es mag in diesem Zusammenhang problematisch erscheinen, daß die Artikel nicht anonymisiert, sondern - im Gegenteil - einzelne Verfasser zitiert wurden. Dazu möchte ich zweierlei feststellen. Zum einen handelt es sich beim Usenet um ein öffentliches Medium, in dem die Verfasser ihre Artikel namentlich kennzeichnen. Zum anderen basierte die Anonymisierung auf einer Illusion: Datenbanken im Internet enthalten alle Artikel der Stichprobe und erlaubten die erneute Zuordnung von Artikel und Autor. Berücksichtigt wurde allerdings die Möglichkeit der nicht-standardkonformen Zeile ,,X-No-Archive: Yes``, die zumindest bei der bekanntesten Datenbank (Dejanews) eine Archivierung verhindern soll. Um die Stichprobe zu erhalten, wurden als Kompromiß in den Fällen, in denen ein Artikel diese Zeile enthielt, jene Felder, die einen Rückschluß auf den Verfasser erlauben (Path, From, NNTP-Posting-Host, Organization, Message-ID) durch den Eintrag ,,x-no-archive`` anonymisiert. Betroffen waren vier Artikel in der Nachrichtengruppe alt.vampyres.


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