Erschienen im September 1996 in de.soc.zensur

--- Newsclip vom 27.5.97 ---

Peking (eigener Bericht) - Das chinesische Innenministerium gab heute in Peking bekannt, daß es für die etwa 500.000 chinesischen Internet-Nutzer den Zugang zu den Internet-Seiten der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT sperren werde. Anlaß für diese Maßnahme stellt ein Artikel der Ausgabe vom 22.5.97 dar. Darin hatte ein profilierter Kritiker der chinesischen Machthaber schwere Vorwürfe gegenüber führenden Funktionären geäußert.

DIE ZEIT stellte diesen Artikel auch im Internet bereit. Auf diese Weise war der Artikel auch in China zugänglich. Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, man habe Kontakt zu den verantwortlichen Redakteuren der ZEIT aufgenommen und erfolglos darauf gedrängt, den Artikel zu entfernen. Der Artikel beinhaltet nach Darstellung des Sprechers beleidigende Formulierungen, die nach chinesischem Recht zu ahnden seien.

Der Sprecher in Peking führte weiter aus, daß die Sperrung einzelner Adressen auf dem Internet kaum zu realisieren sei. Daher habe man zu der Maßnahme gegriffen, den gesamten Zugang zum deutschen Internet-Anbieter BDA-Verein, über den die ZEIT ihre Seiten in das Netz speist, zu blockieren. Dieses Vorgehen hat zur Folge, daß andere Angebote, die über den BDA-Verein erreichbar sind, wie etwa DER SPIEGEL und die Firma Euro-Asia-Connection, den chinesischen Nutzern ebenfalls vorenthalten bleiben. In China unterhalten bislang vorwiegend Firmen einen Zugang zum Internet. Der Sprecher äußerte die Hoffnung, chinesischen Firmen den Zugang zu deutschen Anbietern zu verweigern, wecke in Deutschland Verständnis für die chinesische Position.

In einer ersten Stellungnahme erklärte Robert Leicht, Chefredakteur der ZEIT, der fragliche Artikel falle unter das deutsche Presserecht und sei auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden. Außerdem, so Leicht, sei Meinungsfreiheit ein hohes Gut, daß es zu wahren gelte.

Anders reagierte der Geschäftsführer der Firma Deutschland-China Direkt, Klaus Mann: Er werde noch innerhalb dieser Woche seinen Vertrag mit dem BDA-Verein kündigen und seine Informationen über einen anderen Internet-Anbieter zugänglich machen. Seine Firma könne es sich nicht leisten auf die Kontakte zu seinen chinesischen Kunden zu verzichten.

Eine Stellungnahme seitens des BDA-Vereins steht noch aus. Auch seitens ECO, dem Zusammenschluß deutscher Internet-Anbieter, der in der Vergangenheit durch ähnliche Aktionen von sich reden machte, und dem auch die Betreiber des BDA-Vereins angehören, äußerte man sich noch nicht zu den Vorfällen.